Osteopathie
Was versteht man unter Osteopathie?
Vor über 120 Jahren entdeckte der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still die Prinzipien der Osteopathie und begründete damit eine neue, sanfte Medizin. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung berücksichtigt diese die Individualität eines jeden Patienten mit seiner jeweiligen Konstitution, Psyche, Lebens- und Krankheitsgeschichte.
Die Osteopathie begreift Krankheiten als ganzheitliche Reaktionen des Körpers auf Ungleichgewichte jedweder Art. Ein wesentlicher Aspekt liegt in der Erforschung von deren Ursachen. In der Regel handelt es sich dabei um Bewegungseinschränkungen und Restriktionen. Indem der Osteopath diese aufspürt und behandelt, versucht er, dem betroffenen Bereich wieder zu seiner natürlichen Bewegung und zu seiner eigentlichen Funktion zu verhelfen. Dabei benutzt er vorwiegend seine Hände.
Ziel ist es, Widerstände zu lösen, die der Heilung im Wege stehen, um die Selbstheilungskräfte des Patienten anzuregen.
Beim Osteopathen in Behandlung
Die Anamnese des Osteopathen dient dazu, die Krankheitsgeschichte zu erfahren, sich ein Bild vom Patienten als Individuum zu machen und Vertrauen für eine erfolgreiche Behandlung aufzubauen.
Liegt die Indikation eines Arztes vor, sieht er dessen Rezept ein, um den Patienten daraufhin nach seinen aktuellen Beschwerden zu befragen. Ist dieser bereits schulmedizinisch behandelt worden, erkundigt sich der Osteopath eingehend nach den Erfahrungen, die der Patient damit gemacht hat. Unfälle, die dieser erlitten hat und die möglicherweise weit zurückliegen, spielen für die Diagnose eine ebenso wichtige Rolle wie schwere Krankheiten, die ebenfalls ihre Spuren im Körper hinterlassen. Im Laufe des Lebens können sich einzelne Symptome, Beschwerden und Probleme summieren und die Selbstheilungskräfte des Körpers herausfordern. Selbst vermeintliche Kleinigkeiten vermögen diverse Beschwerden auslösen.
Die Ausbildung zum Osteopathen umfasst ein intensives Training der Hände mit dem Ziel, dass diese auch kleinste körperliche Ungleichgewichte wahrnehmen können. Bevor seine Hände zum Einsatz kommen, beobachtet der Osteopath den Patienten im Stehen. Danach wird dieser gebeten, ein paar Mal auf- und abzugehen. Stimmen Rhythmus, Schrittlänge und Tempo? Welche Bewegungen am Körper lösen das Vorwärtskommen aus? Fallen Asymmetrien auf? Auch durch diese Wahrnehmungen gewinnt der Osteopath wichtige Informationen für die anschließende Behandlung.
Auf dem Behandlungstisch wird die Wirkung der Schwerkraft weitgehend abgefangen, so dass sich die Muskulatur entspannen kann und die Gelenke eine neutrale Ruhestellung einnehmen können. Spätestens jetzt wendet der Osteopath die manuellen Techniken an, die er im Laufe seiner fünfjährigen Ausbildung erlernt hat.
Wo Osteopathie helfen kann
Einsatz von Osteopathie als begleitender Therapieform bei
Krankheiten aus osteopathischer Sicht
Aus osteopathischer Sicht lässt sich der Weg von der Gesundheit bis zum Kranksein in vier Abschnitte unterteilen, wobei der Osteopath in jeder Phase in der Lage ist, helfend zu wirken.
Zu Beginn ist der Organismus gesund und damit fähig, Einflüsse von innen oder außen auszugleichen. Das kann bedeuten, sie zum eigenen Vorteil aufzunehmen oder auch abzuwehren. Gelingt ihm letzteres nicht vollständig, hinterlässt der Einfluss einen Abdruck. Dabei muss nicht gleich eine Struktur zu Schaden kommen. Die Spur kann sich auch in einer gestörten Funktion zeigen. Indem der Körper versucht, die beeinträchtigte oder ausgefallene Funktion auszugleichen, um den Schaden zu kompensieren, leiht er sich diese gewissermaßen von einer anderen Struktur aus.
Eine Krankheit bricht dann aus, wenn die Struktur – etwa in Folge einer anhaltenden funktionellen Störung – geschädigt wird. Die Schädigung kann aber auch an der kompensierenden Struktur auftreten, wenn diese mit ihrer neuen Aufgabe überfordert ist. Strukturelle Störungen liefern klinische Befunde und werden vorwiegend schulmedizinisch behandelt.
Zu den Aufgaben eines Osteopathen gehört es, funktionelle Störungen zu entdecken und zu lösen sowie Kompensationen aufzuspüren und zu beheben und den Schulmediziner bei der Behandlung struktureller Schäden sinnvoll zu ergänzen.
Grenzen der Osteopathie
Die Osteopathie hat dort ihre Grenzen, wo die Selbstheilungskräfte des Körpers nicht ausreichen, den Organismus gesunden zu lassen. Schwere und akute Krankheiten gehören in die Obhut eines Schulmediziners und können nur begleitend behandelt werden. Dies gilt auch für die Fälle, dass
Zu beachten ist darüber hinaus, dass Fremdkörper, wie zum Beispiel eine Spirale in der Gebärmutter, bei einer osteopathischen Behandlung unter Umständen innere Verletzungen nach sich ziehen können. Auch Ablagerungen im Körper, wie Thrombosen, Gallen- oder Nierensteine, drohen bei einer osteopathischen Manipulation zu „wandern“ und damit zu einer Gefahr zu werden.
Kinder-Osteopathie
Bei der Kinder-Osteopathie handelt es sich um eine Spezialisierung innerhalb der Osteopathie….
Grundlagen und Entwicklungen der Osteopathie
Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) definiert die Osteopathie als eine eigenständige Medizinform. Diese umfasst sowohl die Diagnose als auch die Behandlung und lässt sich von anderen Gesundheitsberufen, in denen ebenfalls manuelle Techniken zur Anwendung kommen, deutlich abgrenzen. So erlaubt die besonders ausdifferenzierte osteopathische Diagnose genaue lokale ebenso wie systemische Befunde. Darüber hinaus erweist sich der therapeutische Einsatz von Techniken, die ausschließlich in der Osteopathie Anwendung finden, oftmals als sehr wirksam.
Andrew Taylor Still (1828 – 1917), der Begründer der Osteopathie, definierte als erster drei Prinzipien, die dieser Behandlungsmethode zugrunde liegen. Das erste Prinzip beschreibt das Zusammenwirken von Struktur und Funktion. Demnach bestimmt einerseits die Struktur die Funktion, und andererseits formt die Funktion die Struktur. Dies lässt sich z.B. an Organen beobachten, die in der Regel wachsen, wenn ihre Funktion zunimmt, und die verkümmern, wenn diese abnimmt. Indem der Osteopath die Funktion eines Organs überprüft, erhält er Aufschluss über die umgebende Struktur des Gewebes. Das Aufspüren und die Behandlung von Dysfunktionen zählen zu den wesentlichen Aufgaben der Osteopathie.
Das einwandfreie Funktionieren eines Organs ist abhängig von seinen umgebenden Strukturen. Umgekehrt können Dysfunktionen umgebender Strukturen die Funktion eines Organs beeinträchtigen. Diese Abhängigkeit einzelner Strukturen und deren Funktionen voneinander erklärte Still, der den menschlichen Organismus als untrennbare Einheit erachtete, zum zweiten Prinzip der Osteopathie. Tatsächlich lassen sich bei lokal auftretenden Beschwerden diagnostisch sehr oft auf- oder absteigende Dysfunktionsketten feststellen, die ganze Bereiche des Körpers durchziehen.
So kann z.B. eine Dysfunktion im knöchernen Bereich des Beckens Schmerzen in den Leisten oder Knie- und/ oder Fußschmerzen bewirken. Möglicherweise geht die Verkettung der Dysfunktionen aber auch in die andere Richtung, um in diesem Fall Oberbauchbeschwerden, Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen oder Kiefergelenksbeschwerden auszulösen. Dem Osteopathen ist es wichtig, nach der „Primärläsion“, also nach der ursprünglichen Dysfunktion zu suchen, die eine Kette an weiteren Dysfunktionen ausgelöst haben kann.
Die „Schnur“, an denen diese Dysfunktionen wie Perlen aufgereiht sind, wird meist von Faszien gebildet. Gemeinsam bilden diese ein Netzwerk, das den gesamten Körper durchzieht und alle Strukturen miteinander verbindet. Auch die Arbeit an und mit den Faszien ist daher ein wesentlicher Bestandteil der Osteopathie.
Durch das manuelle Wiederherstellen abhanden gekommener oder eingeschränkter Funktionen ist der Osteopath bestrebt, den körpereigenen Regulierungs- und Heilungsprozess zu aktivieren bzw. zu fördern. Damit entspricht er dem dritten Prinzip der Osteopathie, die auf die Selbstheilungskräfte des Körpers setzt.
Ursprünglich richtete sich die Osteopathie vorwiegend auf den Stütz- und Bewegungsapparat des Menschen, also auf das Zusammenwirken von Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, Bändern und Faszien, das dem Körper Halt gibt und Bewegung ermöglicht. Heute bezeichnet man diesen Bereich der Osteopathie als parietale Osteopathie. Vorwiegendes Ziel ist es, orthopädische Beschwerden wie Schmerzen und/oder Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule, Nackenverspannungen, Schulter-Arm-Syndrom, Haltungsschäden und Gelenkschmerzen zu behandeln. Darüber hinaus erweist sich ihr Einsatz auch nach orthopädischen Operationen, wie z.B. an Hüfte oder Knie, als sinnvoll.
Es war William Garner Sutherland (1873-1954), ein Schüler Stills, der die Osteopathie in den 1930er-Jahren weiterentwickelte. Ausgangspunkt war für ihn die Betrachtung der Strukturen einzelner Schädelknochen, die ihn an die Kiemen eines Fisches erinnerten. Sutherland kam zu der Überzeugung, dass ein atemähnlicher Mechanismus, den er später als Primären Respiratorischen Mechanismus (PRM) bezeichnete, feine zyklische Bewegungen ermögliche. Im Zuge seiner osteopathischen Behandlungen vermochte er diese über die Hirn- und Rückenmarkshäute an den einzelnen Schädelknochen entlang der Wirbelsäule bis hin zum Kreuzbein (Os sacrum) zu erspüren. Aufgrund dieser anatomisch-funktionellen Verbindung wird dieser Bereich der Osteopathie als cranio-sakrale Osteopathie bezeichnet und die feinen Bewegungen als cranio-sakraler Rhythmus. Mit sehr feinen manuellen Techniken kann dann therapeutisch auf diesen eingewirkt werden.
Dank der von ihm entwickelten cranio-sakralen Techniken gelang es Sutherland, den vorher als starr geltenden Schädel in die osteopathische Behandlung einzubeziehen. Damit kann eine Reihe unterschiedlichster Beschwerden und Erkrankungen im Kopfbereich manuell behandelt werden. Das gilt nicht zuletzt für pränatale und geburtsbedingte Dysfunktionen bei Neugeborenen. Durch rechtzeitige Therapie soll auf diese Weise späteren Beschwerden vorgebeugt werden.
In den 1980er Jahren übertrugen die französischen Osteopathen Jean-Pierre Barral und Jacques Weinschenck die Prinzipien der parietalen Osteopathie auf Thorax, Bauchraum und Becken. In diesem Zusammenhang lässt sich z.B. die Funktion des Gelenks als bewegliche Verbindung mehrerer Knochen auch auf die inneren Organe anwenden. Hier kennzeichnen die Anheftungspunkte zu anderen Strukturen und die gemeinsamen Gleitflächen ein „viszerales Gelenk“ und bestimmen somit dessen Bewegungsrichtungen und Bewegungsausmaße. Das wesentliche Ziel der viszeralen Osteopathie besteht darin, die Bewegungseinschränkungen innerer Organe durch manuelle Techniken zu lösen, damit diese ihre Funktionen wieder in vollem Umfang ausüben können.
Seit die Osteopathie um den viszeralen Bereich ergänzt wurde, lässt sich der gesamte menschliche Organismus osteopathisch diagnostizieren und behandeln. Die Praxis zeigt im Übrigen, dass z.B. Dysfunktionen im viszeralen Bereich zu Beschwerden im parietalen Bereich führen oder sich cranio-sakrale Störungen viszeral äußern können. In Deutschland zählt die Osteopathie zur Heilkunde und darf nur von Ärzten oder Heilpraktikern eigenständig ausgeübt werden.
Was kostet eine osteopathische Behandlung?
Gesetzliche Krankenkassen
Die Osteopathie ist in Deutschland im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern noch keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Viele gesetzliche Krankenkassen beteiligen sich aber anteilig an den Kosten. Hierzu bitten wir unsere Patienten, sich vor Beginn einer Behandlung sich bei der Krankenkasse sich zu informieren.
Private Krankenkassen
Von den privaten Versicherungen und Zusatzversicherungen werden die Kosten häufig ganz oder teilweise erstattet. Auch hier macht es Sinn, sich vor Behandlungsbeginn sich bei der Privaten Versicherung über die Kostenübernahme zu informieren.